Wir hoffen ja, wenn wir so fahren, irgendwann zu entkommen und dem Osten zu begegnen. Vielleicht nicht grad so einem erden, lebens- und todesbejahenden russischen Muschik, aber doch etwas oder jemandem, was oder der anders wäre als wirs kennen.
Warszawa Zachodnia, der Warschauer Westbahnhof, läge da schon recht weit in der richtigen Richtung, deutet aber eben, das sagt ja der Name, Richtung Westen. Der Haupteingang öffnet sich glasdächern oder pariserisch zur Jerusalemsallee hin. Nur die Halle ist gut beheizt! Aber auf großen elektronischen Tafeln bewundern wir die ständig erneuerte Liste der ein- und ausführenden Züge. Ganz wie zu Hause. Automatische Tür gibt Durchgang frei, ach.
Doch im düstren Korridor hinter der Tür, der gelbgraue Menschen zu den Gleisen führt, lesen wir auf anderen Tafeln von anderen Uhrzeiten als zuvor. Der Kachelboden ist ein wenig in Auflösung. Hier ist etwas im Gange. Am Ende steht die Zahl sieben. Letztes Gleis? Geheimnis! Briten führten hier 7 3/4 ein. In Warschau West genügt es, dass eine, dass sie gesagt hätte: "Wir treffen uns auf Gleis acht!" Verzweiflung.
Was du nicht wissen kannst, du Suchender: Du musst hinaus, im Dunkeln vielleicht und durch Nebel, über einen Parkplatz, zwischen riesigen Bussen durch, über Schienen! Was glaubst du denn? Da ist es! Gleis acht! Seitwärts beleuchtet. Vielleicht ...
Der große Korridor ist also am Ende nicht zu Ende, wie er am Anfang auch nicht beginnt. Denn rechts biegt er dort ab, zu den Überlandbussen. In graubraun erblindeten Fenstern hängen Rucksäcke, Telefonkabel, Pistolen und Tabakspfeifen. In Läden bieten dürre rote Bahnhofsfrauen Zwiebliges und Bier. Männer legen Buletten in Blechdosen. Einer sitzt am Tischchen und glotzt. Zwei verhandeln heftig und leise. Eine läuft hinaus. Was geht hier vor? Ist das noch der Westbahnhof? Keine eleganten jungen Damen, keine nagelneuen Trolleys, keine fliegenden Krawatten mehr.
Kleine runde Frauen schleifen langsam schwere Säcke hinter sich her. Müde stapfen harte Männer an den Läden vorbei. Der Osten?
Doch orange leuchtet ein Sex Shop das Ende der Reihe herbei. "Nana" heißt er, kurz vor dem Ausgang zu den Bussen. Das Philologenherz pocht. Ein Zola-Zitat! Papa bringt seiner Nana zu Haus was Brummendes als Geschenkchen mit? Wo der Osten beginnt, rufts den Westen herbei?
Nu ists sowieso vorbei mit solchem Hin oder Her. Der Seitenkorridor ist mit grünem Sichtschutz gesperrt. Auch der Ausgang Richtung Gleus acht ist zu. Warszawa Zachodnia wird renoviert und bald was ganz Westliches und Großes, wie der Name ja wohl sagt.
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